ein Mitglied der Familie wählt jeweils einen Film
aus. Beim Namenskürzel mit einem (*) markiert.
(L*)
(U) Wie so oft in Dokumentarfilmen über grosse Geister, wird das Grosse
mit zu bombastischer Musik untermalt.
Dort wo Alvar Aalto Klein baute, für Familien etwa, oder in seinen
Entwürfen für Mobiliar, da ist sehr viel Sinnlichkeit drin. Das
beeindruckt mich und ist mir sehr sympathisch. Menschliches Mass,
natürliches Material, Bugholz, angenehm anzufassen. Dort, wo er Gross
baut, scheint dieses Mass verloren gegangen zu sein. Bombastische
Architektur, bombastische Musik.
(H) Ein Versuch seiner ersten Frau Aino, ihrem Einfluss und ihrer
Leistung, den notwendigen Stellenwert zu geben. Der nach seiner Frau
Aino verstorbene Alvar dominiert trotzdem die Erinnerung.
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(H) Vorab: Die Leistung der beiden Hauptdarsteller überzeugt. Der Film
lässt den Zuschauer „im Kopf“ des Vaters teilhaben am Blick auf die
„Realität“. Da auch geistig Verwirrte keine Möglichkeit haben in die
Zukunft zu schauen, scheint mir die Erzählung nicht schlüssig. Geht man
vom „Erscheinen“ der Pflegerinnen des Vaters und den Ehemännern der
Tochter aus, ist der Vater beim Filmanfang schon im Heim und die
Erzählung eine Beschreibung der vom Vater imaginierten Vergangenheit und
nur der Filmschluss „real“. Die Fantasie der Tochter, worin sie ihren
Vater „erwürgt“, ist nicht Teil der väterlichen Wahnwelt, somit ein
Fremdkörper in der Erzählung. Die im Film umgesetzte Gleichzeitigkeit
von Gegenwart und Vergangenem ist so erzählt, ausschliesslich
verwirrend, für mich als Zuschauer vor allem anstrengend. Ich glaube dem
Film die Attitüde nicht, dem Zuschauer eine Türe in die wahnhafte Welt
eines Menschen zu öffnen, ihn teilhaben zu lassen am Verlust, Reales von
Imaginiertem zu unterscheiden. Die Geschichte, erzählt in diesem Film,
ist die Erfindung eines Normalen der sich ausmalt wie sich Wahnsinn
„anfühlt“.
(U*) Nochmals ein Film über Alzheimer Demenz? Diesmal wird die
Geschichte aus der Perspektive des Betroffenen erzählt. Das ist höchst
verstörend. Wir erleben mit, nicht zu wissen was wahr ist, was war und
ist und wie es ist. Wirklichkeit entgleitet uns mehr und mehr. Wenn
Hannibal Lector am Ende Weint und schluchzt, sehen wir den grandiosen
Schauspieler in seiner persönlichen Tiefe.
(L)
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(H) Im Film Nomadland wird, einmal mehr, die Frage nach dem Sinn unseres
Daseins gestellt und glücklicherweise nicht beantwortet. Fern ist eine
Suchende ohne eine Vorstellung von dem was sie finden will. Ist es «the
pursuit of happiness», dieses nicht einlösbare Versprechen, welches
Teile der us-amerikanischen Gesellschaft zusammenhält?
Auf die Frage eines Kindes, ob sie "homeless" sei, antwortet Fern: Nein,
ich bin "houseless".
(U) Szenenwechsel: Der ganz andere Weg, sich und die Welt zu erfahren.
Amerikaner, die ohne Schusswaffen auskommen, ohne Gewalt, ohne Small
talk, ohne Haus und auch ohne Familienmitglieder. „Die Familie“ wird neu
erfunden.
- Was für ein Leben - Welche Möglichkeiten -
(L*)
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(H) das theaterstück "onkel wanja" von tschechow als hintergrund,
schauspieler die nicht alle eine gemeinsame sprache sprechen und zwei
protagonisten die daran leiden etwas nicht gemacht zu haben. angesichts
des filmes wird einem schmerzhaft bewusst wie karg die schweizerische
kulturgeschichte ist und freudig nimmt man zur kenntnis, wie viel uns
menschen doch gemeinsam ist, inmitten babylonischem sprachgewirr,
schweizer dialekt neben koreanischer gebärdensprache.
(U) Dreh- und Angelpunkt des weit verzweigten Geschehens ist das
Theater, bezw. die Arbeit der SchauspielerInnen an Tschechows
Bühnenstück Onkel Vanya. Es beginnt mit einem heftigen Seitensprung und
einem Casting für die Rollen. Erzählt wird in Mandarin, Koreanisch,
Englisch, Japanisch in Gebärdensprache … und ein Satz in
Schweizerdeutsch - sehr anregend. Alles an diesem feinen Gewebe ist
untertitelt. Wir sehen die Stadt Fukushima, wir fahren mit dem Regisseur
und „dem Driver“ durch die Stadt und über Land und hmmm, da sieht es ja
aus wie bei uns. Sauber und aufgeräumt. Haruki nimmt die Fäden da und
dort wie zufällig auf und webt sie mit sinnvollen Verweisen zum
überraschenden Ende. Hay!
(L*)
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(H) ein "kammerspiel" für 3 erwachsene, wobei der eine in person eines
kindes auftritt, das seine ängste verlassen zu werden in form eines
rollenspieles, als waisenkind, abarbeitet. das erwachsene "kind" hat
folgerichtig während des gesamten filmes keinen kontakt zu
gleichaltrigen. ich finde keinen zugang zum film, mir gefällt, dass der
film in "schwarz-weiss" ist, die farben fehlen mir nicht.
(U*) Kürzlich sah ich Joaquin Phoenix in der Rolle als
„YOKER“ brillieren. Da war er sehr dünn, sehr schnell, traurig und sehr
lädiert von seiner Krankheit. Und, das Ende war brachial. Nun aber, 20
Kilo schwerer und sichtlich genesen, gefällt mir Joaquin Phoenix
als gesunder, emphathischer Kindversteher. Sein Gesicht, verpackt in
hellhaarigen Schnauz und Bart zeigt kaum noch die vielseitige
Ausdruckskraft, die ich an ihm so sehr liebe. Er ist nun sehr normal
geworden, so als wäre er sich der Verantwortung für Kinder bewusst
geworden. Hier lebt er nicht mehr für sich allein. - Sehenswert für alle
Phoenix - Fans!
(L) vor dem hintergrund feiner graustufen lässt ein schwer
naturalistisch gezeichneter fahrender interviewer im gewand des Joaquin
Phoenix bittersüsse kleckse neurotisch gestreifter kindlicher erfahrung
seine professionelle distanz besudeln. das höchst intime portrait zarter
menschlichkeit blieb von jeglichen oscarwürden verschont.
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(H) Mir ist aufgefallen, dass im Film von Brett Morgen nur vier Personen
aus dem Umfeld genannt werden. Seine Mutter, sein Bruder Terry, Brion
Eno und seine Frau Iman Abdulmajid. Ein Hinweis auf seine Tochter
Alexandria Zahra Jones fehlt oder ist mir entgangen. Ob sein "Denken"
dieselbe Qualität wie seine Musik hat bleibt offen. Der Text am Anfang
des Filmes indem Bowie Nietzsche zitiert und über das Verschwinden von
Gott spricht macht neugierig. Im Verlauf des Filmes wird aber klar,
seine Botschaft und sein Genie ist die Musik, nicht seine Philosofie.
(U) Ich hätte David Bowie im posthum entstandenen Dokumentarfilm eine
sorgfältigere Auswahl seiner vielen unterschiedlichen Filmdokumente
gewünscht. Der Film schnipselt ein sehr unruhiges Bild des Künstlers
zusammen, das - wenn überhaupt, nur gerade für die ersten paar Jahre
seiner langen Kartiere repräsentativ ist. Er hatte ja selbst, zu
seinen Lebzeiten, so einige gute Videos gemacht. Wikipedia nennt
72 an der Zahl. Für mich ist er ebenso ein Videokünstler, Maskenbildner,
Modeschöpfer und nicht zuletzt: Vordenker in der Genderfrage.
Ich habe folgende Videoclips auf You tube gesehen, die ich herzlich
empfehle:
- Space Oddity (Maior Tom) 1969 ! - The man who sold the World - The
Rise of Ziggy Stardust 1972 - The Jean Genie - China Girl - Rebel Rebel
- let‘s dance - Changes - Starman 1972 - Joung Americans - Under
Pressure (mit Edy Mercury) UH
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(H) Il grande Silenzio 1968, ein Jahr vor dem Film „Easy Rider“, beides
Filme die für mich Interpretationshilfen für das Selbstverständnis der
Vereinigten Staaten sind. Eine Nation die gemäss ihrem Narrativ einen
leeren Kontinent besiedelt hat. Das staatliche Gewaltmonopol war um 1900
noch schwach, der Vollzug von Strafurteilen noch weitgehend
privatisiert. Beim ersten Blick trennen die beiden Protagonisten, der
Kopfgeldjäger Loco und der stumme Silenzio Welten. Der Eine sieht in
seinem Tun eine Verdienstmöglichkeit - die Vorsorge für’s Alter -. Der
Andere ist auf einem Rachefeldzug, getrieben von einem traumatischen
Ereignis in seiner Kindheit. Silenzio tötet mit der Gewissheit moralisch
im Recht zu sein, Loco tötet „gemäss Gesetz“ und beschränkt sich, aus
praktischen Gründen, auf einen der Hinweise des Steckbriefes - tot oder
lebendig -. Ist nun mal so, all die Western wo das Gute über das Böse
siegt, sind der Versuch sich gegen die Realität zu immunisieren, die
Gewalt zu legitimieren. Die aktuellen USA sind ein Volk von bewaffneten
Bürgerinnen die mit der Gewissheit töten, moralisch im Recht zu sein,
auf der Seite von Silenzio zu stehen, über dem Gesetz. Licht ins Dunkle
der Gewaltexzesse könnte die Schrift von Sigmund Freud: "Der Mann Moses
und die monotheistische Religion" bringen. Hier der verdrängte Vatermord
- da der nicht aufgearbeitet Genozid an den Native Americans.
(L*) Bei der Produktion dieses Films mussten Tiere leiden. Corbucci's
verschneiter Western setzt in so tollen wie schrecklichen Bildern
leuchtend weisse Berggipfel gegen die menschlichen Abgründe einer
abgeschiedenen Berggemeinde in Szene, wo die Gesetzlosigkeit in Gestalt
einer Bande von Kopfgeldjägern regiert. Angeführt wird diese von einem
diabolischen Klaus Kinski, dessen Kontrahent Jean-Louis Trintignant zwar
schneller zieht als sein Schatten und nichts von sich gibt ausser seinem
bestechenden Anblick, zuletzt aber gegen die Überzahl der Meuchelmörder
doch das Nachsehen hat.
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(U*) !KRASS! Es geht um den irritierenden Wunsch, ewig zu leben ‚forever
young’ zu sein. Es geht um Jugend und Sterblichkeit, an sich ein
vortreffliches Thema. Dies versinkt leider im grenzenlosen
Auswalzen jeglicher Stationen in vielfältigsten Bildern, die 1983
schockierten. Heute nennen wir das Fantasy, damals vor 40 Jahren wurde
jedoch analog mit sehr viel Aufwand gearbeitet. - Riesiger Aufwand für
jede Einstellung. Wir dürfen nebst horrend lauten Passagen dem Auge der
Kamera auf den Gesichtern und und makellosen Körpern der jungen,
attraktiven DarstellerInnen folgen. David Bowie verschmilzt
liebend mit Catherine Deneuve, angenehm anzusehen - die küssen sich echt
- glaub‘ ich. Überhaupt hat Bowies zunehmend alternde Figur den
rettenden Part übernommen, zusammen mit den beiden Frauen, Catherine
Deneuve und Susan Sarandon. Ein Film für Kinoaffine und
-erfahrene.
(H) Die unsterbliche Miriam Blaylock trifft auf Dr. Sarah Roberts die
als Forscherin, mit Experimenten an Affen, versucht Einflussfaktoren der
Alterung zu entschlüsseln, wobei in ihrem Labor aktuell erst klar ist,
wie man die Alterung beschleunigen kann. Miriam erwählt Sarah zu ihrer
Liebhaberin, infiziert sie mit ihrem eigenen Blut und macht sie damit
auch unsterblich, wieso das bei ihrem Mann John Blaylock nicht
nachhaltig funktioniert hat bleibt ein Geheimnis. Der Preis für die
Unsterblichkeit ist der Zwang immer wieder Menschenblut zu trinken. Als
Sarah das Blut von Miriam trinkt, "stirbt" diese und ruft gegen Ende der
Geschichte aus einem Sarg nach Sarah, die für sich die Frage nach der
Unsterblichkeit beantworten und den Platz von Miriam eingenommen hat.
Der Plot des Filmes ist eine Unterforderung und ohne das Trio Catherine
Deneuve, Susan Sarandon und David Bowie wäre der Film einfach nur Trash.
(L)
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(H) Erstaunlich ist, dass kurz nach der Unabhängigkeitserklärung von
Indien 1947, der Trennung von der Kolonialmacht England, die Indische
Elite einen europäischen Architekten mit der Planung der neuen
Hauptstadt des Punjap beauftragt. Seine Entwürfe zur Stadt der Zukunft,
Ville Radieuse 1930, postulierten einen radikalen Wandel der Sicht auf
„die Stadt“. Der Film zeigt, dass es Le Corbusier und den beteiligten
Architektinnen und Architekten gelungen ist eine Planung zu realisieren
die bis heute der Stadtbevölkerung ein Lebensraum von hoher Qualität
bietet. Dass vorwiegend Kulturschaffende, sozial eher der Elite
zuzuordnen, die Stadt kommentieren, „einfach“ Bewohnerinnen nicht zu
Wort kommen, empfinde ich als Mangel. Wer mehr zu Chandigarh wissen
möchte, empfehle ich den Artikel von Frank Strasser, März 1999, aus der
NZZ.
(L)
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(H) Zum Schluss des Filmes überschlagen sich die Ereignisse. Das Ende
des Filmes erklärt nichts,öffnet den Raum für Spekulationen,
Interpretationen, Vermutungen. Kann es sein, dass die Dorfgemeinschaft
und mit ihr der Protagonist die Gefahr am falschen Ort "gesehen" haben?
Warum die Warnung des Dorfvorstehers an Hana "nicht auf die Wiese zu
gehen”? Hatte er eine Ahnung, dass die akustisch präsenten aber
nie sichtbaren Jagenden, welche die heiligen
Hirsche schiessen, die wirkliche Gefahr für die Idylle sind. Ein Film,
der mich zum Schluss, was meine Emotionen betrifft, an Twin Peaks
erinnert.
ps: Das Filmplakat scheint mir wie ein Zitat aus einem Harry Potter
Film, wo Harry an einem zugefrorenem Teich ein Hirsch erscheint den er
für seine Mutter hält, aber sein Spiegelbild ist, welches ihn selbst und
Sirius, dank einer Zeitschleife, mit einem Patronuszauber vor den
Dementoren schützt. Markiert der Hirsch da stellvetretend die im Film
fehlende Mutter von Hana?
(L*) in zeiten globaler kriege und krisen beweist Hamaguchis
zweistünder, dass es auch im ruhigen japanischen hinterland nicht an
konflikten mangelt. mit den stilmitteln langer einstellungen und
geschickter auslassungen wird eine feinstoffliche gemengelage geschickt
illustriert. der ruhige plot gipfelt in einem denkwürdigen finale worin
einige der protagonisten zu überraschen gewalttätigen mitteln greifen.
einiges bleibt zum schluss offen, so dass einem der film noch ein
weilchen im kopf rumgeistert.
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